Artikel-Serie: Intuitiv essen 1/4. Wie wir wieder auf unseren Körper hören
Essen – eigentlich sollte es die einfachste Sache auf der Welt sein. Aber manchmal stehen uns die Konzepte, die wir dazu angehäuft haben, dabei im Weg. Intuitiv Essen bedeutet, sich auf die Weisheit des Körpers zurückzubesinnen. Wie das geht und welche positiven Nebenwirkungen wir erwarten dürfen, habe ich im Jahr 2022 im Fitness-Magazin SHAPE erklärt.
Wenn es ums Essen geht, hören wir ständig neue Ansagen und Empfehlungen. Iss das, und du wirst schlank! Iss das, und du wirst glücklich! Großformatige Werbeplakate, der warme Duft aus der Bäckerei, das schokoladenüberzogene Bananenbrot, das zum Geburtstag einer Kollegin aufgetischt wird, aber auch die frischsten Erkenntnisse vermeintlicher Ernährungsexperten oder der Blick aufs Kalorienkonto.
All diese Signale vermitteln uns: Das können wir essen. Das nicht. So viel können wir essen. So viel nicht. Und dieses Lebensmittel lassen wir lieber weg, weil es unsere Verdauung stresst. Gestresst sind bei all diesen Botschaften am Ende oft nur noch wir selbst.
Was sollen wir denn nun essen? Wann? Und wieviel davon?
Die Antwort liefert ein Konzept aus den USA, das Mitte der Neunziger von den Ernährungsexpertinnen Elyse Resch und Evelyn Tribole entwickelt wurde und weltweit immer mehr Anklang findet: Intuitiv Essen.
Hier geht es darum, beim Essen auf unseren Körper zu hören. Auf Hunger, Sättigung – und unseren Appetit. Denn Resch und Tribole zufolge weiß der Körper genau, wann er welche Nahrung braucht.
Intuitiv essen: Was sagt mein Bauchgefühl?
Wir merken das zum Beispiel, wenn uns plötzlich der Heißhunger auf etwas Süßes packt. Dann ist es vielleicht Zeit für einen schnellen Energieschub, weil wir gerade ein nervenaufreibendes Meeting hinter uns haben. Oder es verlangt uns nach etwas Salzigem: Dann fehlen unserem Körper möglicherweise gerade Elektrolyte.
Auch was die Menge betrifft, dürfen wir auf unser Bauchgefühl vertrauen: Wenn wir hinhören, spüren wir, wann wir genug gegessen haben. Und wenn unser Magen abends noch einmal knurrt, haben wir uns tagsüber offenbar nicht ausreichend versorgt.
Das Beste daran: Wenn wir genau das essen, worauf wir gerade Lust haben, sind wir zufrieden. Und brauchen im Endeffekt oft weniger davon, als wenn wir es mit der doppelten Menge „erlaubter“ Lebensmittel zu ersetzen versuchen.
Genuss steht beim intuitiven Essen also genauso im Mittelpunkt wie unsere Hunger- und Sättigungssignale. Das alles wieder wahrzunehmen und unser Essverhalten danach auszurichten, ist Ziel der intuitiven Ernährung.
Heißt das, wir dürfen uns von jetzt an intuitiv mit Keksen vollstopfen?
So weit, so nachvollziehbar. Aber was, wenn wir uns das alles erlauben und plötzlich nur noch Schokolade essen wollen? Ist das gesund? Ganz zu schweigen von den Konsequenzen für den Beach-Body! Studien konnten diese häufig vorgebrachte Kritik entkräften.
Eine US-amerikanische Untersuchung unter College-Studenten etwa ergab, dass die Befragten, die sich intuitiv ernährten, eine größere Vielfalt an Lebensmitteln zu sich nahmen (also nicht nur Cookies und Pommes frittes) und sogar einen geringeren BMI aufwiesen als ihre „normal“ essenden Kommilitonen.
Interne vs. externe Signale
Wir hören beim intuitiven Essen also auf die internen statt auf die externen Reize, die uns im Alltag so oft (ver-)leiten. Statt Essen nach der Uhrzeit (um zwölf ist Mittagspause, ob wir hungrig sind oder nicht) oder weil man (auf-) isst, was auf den Teller kommt, achten wir darauf, ob wir wirklich Hunger haben, schon satt sind und wonach genau unser Körper gerade verlangt.
Das führt dazu, dass wir uns auf bessere Cholesterin- und Triglycerid-Werte und oft auch ein niedrigeres Gewicht freuen können! Was erstmal überraschend klingt, hat einen einfachen Grund: viele Menschen lassen sich von den externen Reizen häufig zum (mehr) Essen überreden, obwohl ihr Körper gar nicht so viel braucht.
Wenn das ein Ende hat, kehren wir zu dem Gewicht zurück, das für uns richtig ist. Und das ist noch nicht alles: Studien zeigen, dass intuitives Essen optimistischer aufs Leben blicken lässt. Dass es das Selbstwertgefühl steigert. Dass wir uns insgesamt wohler fühlen. Und dass unsere Psyche Herausforderungen mit mehr Widerstandskraft begegnet.
Intuitiv Essen
– Resch, E./Tribole, E., Begründerinnen des Konzepts
Ein dynamischer Prozess, bei dem Körper, Geist und Ernährung in Einklang kommen
Zehn Prinzipien für eine fürsorgliche Ernährung
Intuitiv Essen basiert auf zehn Prinzipien, die dabei helfen, eine liebevolle und gelassene Einstellung gegenüber Essen und dem eigenen Körper zu entwickeln. Dabei handelt es sich nicht um unumstößliche Gebote, sondern eher gesunde Anregungen. Intuitives Essen soll sich Alltag und individuellen Vorlieben anpassen – nicht andersherum. Es ist flexibel.
Wir tragen diese Fähigkeit von Geburt an in uns – im Lauf des Lebens haben wir sie oft nur verlernt. Um den verschütteten Schatz wieder freizulegen, stelle ich in dieser Artikel-Reihe alle Prinzipien des intuitiven Essens vor: mit Expertenmeinungen zu einzelnen Standpunkten, hilfreichen Tipps und spannenden Übungen zum praktischen Ausprobieren. Ein Experiment, das sich lohnt!
Die zehn Prinzipien des Intuitiven Essens
1.
Legen Sie die Diätmentalität ab
2.
Honorieren Sie Ihren Hunger
3.
Schließen Sie Frieden mit dem Essen
4.
Sagen Sie der Essenspolizei den Kampf an
5.
Spüren Sie Ihre Sättigung
6.
Entdecken Sie den Genussfaktor
7.
Bewältigen Sie Ihre Gefühle ohne den Einsatz von Essen
8.
Respektieren Sie Ihren Körper
9.
Bewegung – Fühlen Sie den Unterschied
10.
Erhalten Sie Ihre Gesundheit mit sanfter Ernährung
Erschienen in der SHAPE, 2022
Interessiert dich das Thema Intuitive Ernährung? Lies hier gleich weiter:
Teil 2/4 der Serie zum Intuitiven Essen
Teil 3/4 der Serie zum Intuitiven Essen
Teil 4/4 der Serie zum Intuitiven Essen
Vielleicht willst du aber auch nachschauen, was die Begründerinnen des Konzepts selbst dazu sagen:
http://www.intuitiveeating.org/